Der 27.05.2019 war sowohl für unsere Schule als auch unsere Projektgruppe „Gestrandeter Zug“ ein besonderer Tag. Peter Lantos, ein Überlebender des KZ-Zugs, war extra aus London angereist, um vor den Schülern des „Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums“ zu sprechen. Peter Lantos hat schon oft über sein Schicksal berichtet, aber noch nie vor deutschen Schülern, insofern war es für ihn und uns eine Premiere. Der 79-Jährige hat viele Jahre als Experte für Neurowissenschaften und Professor am Kings College in London gearbeitet. Nach seiner Pensionierung unternahm eine emotionale Reise auf den Spuren der damaligen Verfolgungsgeschichte seiner Familie und schrieb darüber ein Buch. Aus seiner Autobiografie „Von Ungarn nach Bergen-Belsen und zurück“ hatten Schüler unserer Projektgruppe eine Lesung vorbereitet. Peter Lantos ist heute Autor von Theaterstücken und Romanen und lebt in London.
Schon als kleiner, nicht mal fünfjähriger Junge wurde Peter Lantos mit seinen Eltern und weiteren Familienmitgliedern im Sommer 1944 zunächst in die Ghettos Mako und Szeged in Ungarn transportiert, dann in die Konzentrationslager nach Strasshoff und Wiener Neustadt in Österreich. Im Dezember 1944 wurde die Familie in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert, in das Austauschlager für ungarische Häftlinge. Dort starb im März 1945 sein Vater. Anfang April 1945 befanden sich Peter mit seiner Mutter in dem Räumungstransport aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen, der vor den anrückenden amerikanischen Truppen in das KZ Theresienstadt gebracht werden sollte. So weit ist es aber (glücklicherweise) nicht gekommen, weil er in Farsleben mit rund 2500 jüdischen Austauschhäftlingen befreit wurde.
In dem Displaced Person Camp in Hillersleben kam er wieder zu Kräften. Peter Lantos kehrte mit seiner Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg nach Ungarn zurück, aber beschloss später, dass er seine Heimat verlässt, um der politischen Unterdrückung zu entgehen. So war der Familienbetrieb, eine florierende Sagemühle, enteignet worden und er hatte nicht die Möglichkeit, seine politische Meinung frei zu äußern.
Nun wollte er gerne seine Geschichte erzählen und nahm deshalb den weiten Weg zu uns auf sich. Am 27.05.2019 gab es zwei Veranstaltungen: Die erste vormittags für die Schüler der elften Klassen im Rahmen des Englischunterrichts und eine Nachmittagsveranstaltung für die Öffentlichkeit. Der Chor unter Leitung von Frau Berfelde und das Schulorchester unter Leitung von Frau Skalla begleiteten die Veranstaltungen mit jüdischen Liedern. Ein weiterer Programmpunkt waren Lesungen aus Peter Lantos‘ Buch. Katja G., Natalie W., Fynn Luca S. und Peter K. präsentierten die verschiedenen Ausschnitte eindrucksvoll. Danach gab es die Möglichkeit, Fragen an Peter Lantos zu stellen. Durch die gestellten Fragen konnte man merken, dass unser Thema, welches wir als Projektgruppe aufgegriffen haben, doch die Menschen in unserer Umgebung bewegt.
Diesmal war sogar der MDR da, um Interviews mit Peter Lantos, Frau Petersen und Gästen der Veranstaltung aufzuzeichnen. Im Interview mit dem MDR äußerte Peter Lantos seine Motivation hierherzukommen, obwohl es ihm sicherlich schwerfällt, weil viele dunkle Erinnerungen wieder aufgewühlt werden. Er meinte: „Ich denke, es ist eine moralische Pflicht. Weil meine Generation die letzte ist, die dabei war. Ich war fünf damals und jetzt bin ich 79. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in 15 Jahren noch da sind. Dann wird niemand mehr leben, der sagen kann: Es ist wirklich passiert. Ich weiß es, denn ich war dabei.“ (Quelle: MDR, Interview mit Peter Lantos in der Sendung „Hier um vier“ am 28.Mai 2019)
Wir danken der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ und dem Landkreis Börde mit dem Projekt „Börde Bewegen Bewirken“ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ für die finanzielle Förderung dieser Veranstaltungen.
Alexander Werner
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